Es war drei Tage vor Heilig Abend. Die Innenstadt platzte beinahe aus ihren Nähten, die Menschen drängten in der Fußgängerzone auf und ab, in die Geschäfte hinein, wieder hinaus, und zwischendrin erlaubten sich ein paar gestresste Einkäufer, an einem der weihnachtlich dekorierten Stände, eilig einen Glühwein zu trinken oder ein Crépe mit Nougatcreme zu essen, um sich dann wieder frohen Mutes in’s Shoppinggetümmel zu stürzen, und zischen Christbaumschmuck und Kunstschneespray, Schals und Socken, Vasen und Kerzenständern ein mehr oder weniger ansehnliches Geschenk für Freunde und Familie zu finden. Überall roch es zimtig, tannig oder auch parfümig – manch ein Mann blieb verzweifelt in der Parfümabteilung des Kaufhauses stecken, weil er einfach nicht den blassesten Schimmer hatte, wie seine Frau gerne riechen würde – und wie er in Kombination dazu erreichen konnte, dass sie so roch, wie er sie gerne riechen würde. Von draußen klang feierliche Musik, die aus einem der Lautsprecher des Kinderkarussels drang. „Jingle Bells, Jingle Bells, Jingle all the way…“ Verzückte Kinderaugen saßen in einem Feuerwehrauto, Flugzeug oder auf einem Motorrad, während sie Mama und Papa begeistert zuwinkten und sich aufgeregt überlegten, ob dieses Jahr denn auch das Richtige unter dem Baum lag.
Langsam und aufmerksam um sich blickend ging der durch die Menge. Welch ein Auflauf von Menschen. Wie eifrig sie beschäftigt waren, zu suchen, zu überlegen, zu prüfen, zu kaufen, zu planen. Jedes ihrer Gesichter sprach zu ihm. Sprach lauter als die beduselnde Hintergrundmusik und das Raunen und das fröhliche Geplapper. Ihn selbst beachtete kaum jemand. Seine Augen sahen alles. Sie sahen hinter die Masken und Falten, verbissene und lachenden Lippen, sie sahen in ihre Herzen, in ihre Gedanken. Er sah die Menge, er sah jeden Einzelnen. Tief und liebevoll. Er fuhr mit der Rolltreppe in das erste Stockwerk. Als er in die Abteilung mit den Holzkrippen kam, beobachtete er eine Dame mittleren Alters, die sich leicht über eine besonders schöne Krippe beugte, vorsichtig das Jesus-Kind aus der Krippe nahm und zärtlich lächelte. ‚Ein wunderschönes Gesicht, wahrhaftig. Und diese Ausarbeitung der Feinheiten… Ich muss unbedingt noch in die Kirche, eine Kerze anzünden.‘ – ‚Ich bin doch hier,‘ sagte er stumm.
In der Schmuckabteilung sah er einem jungen, dynamischen Geschäftsmann über die Schulter, der einfach nicht entscheiden konnte, ob es das Armband mit dem Schlangendesign oder das mit den Goldkerben sein sollte. ‚Wenn es nur nicht so schwer wäre, meine Frau zu beschenken… Es muss ja immer alles zu ihren Outfits passen… Und für meine Schwester habe ich auch noch nichts… vielleicht ein Konzertbesuch… und für meinen Vater seinen Lieblingscognac?… Mann ist das schwer… Es soll doch nur jeder glücklich sein und zufrieden und fühlen, dass ich mir auch Gedanken gemacht habe. Die letzten Monate waren so stressig, ich hatte ja gar keine Zeit…‘ – Er atmete tief. Nein, es machte ihm keinen Kummer, dass der junge Geschäftsmann die Weihnachtsgeschenke bester Sorte aussuchen wollte. Aber er seufzte stumm ‚Wenn Du doch nur das ganze Jahr so bedacht wärst um das Glück und die Freude Deiner Lieben. Du wärst nicht so einsam. Sie auch nicht. Und es wäre mir möglich, lauter zu Euch zu reden.‘
Er verließ das Kaufhaus. An der Wand des Blumengeschäftes um die Ecke hockte eine frierende ältere Frau. Vor ihr stand ein Pappbecher mit ein paar Münzen Kleingeld. Die Kälte hatte ihre Sinne bereits leicht betäubt. Während sie auf ihre löchrigen Schuhe starrte, und sich fragte, was sie davon abhielt, aufzustehen, den Bus in die Südstadt zu nehmen und Frieden mit ihrem Sohn zu schließen, der sie sicher gerne aufnehmen und ihr ein warmes Bett anbieten würde, machte es „Klong!“ und ein 50 Cent-Stück flog in den Becher. Das waren 2,35 Euro bis jetzt. Ein kleiner Döner. Und ihr Kopf sank wieder nach unten auf ihre Brust. Er kniete sich vor sie und umschloss sie mit beiden Armen. Sanft. Fest. Sie roch nach Autoabgasen und war kalt und steif. Plötzlich zuckte sie zusammen. Ihr ganzer Leib bebte. „Was?….“ Sie hob leicht den Kopf und schaute suchend um sich – aber da war niemand. Sie fühlte sich merkwürdig. Eine Busfahrkarte kostet 2,35 Euro. Sie stand langsam auf und machte sich zur Haltestelle auf.
Langsam ging er die Fußgängerzone hinauf. Allmählich dämmerte es. Die Menschen trieben an ihm vorbei. Er fühlte sich schwer um’s Herz. So schwer. Er fühlte sich nicht wie einer, der bald Geburtstag hatte. Nicht weil die Menschen dem Kaufrausch verfallen waren. Nicht weil die Musik nicht so perfekt war wie die, die er gewohnt war, und weil all die Weihnachtsbäume, Nikoläuse und Lamettastreifen nichts mit seinem Geburtstag zu tun hatten. Er fühlte sich schwer, weil er sich zu seinem Geburtstag besonders gern verschenken wollte, und es nicht einfach war, die Menschen dazu zu bewegen, dieses Geschenk anzunehmen. Dabei war dies sein sehnlichster Wunsch.
„Oh – jetzt habe ich sie fast umgerannt. Tut mir leid!“ Er blickte überrascht in das strahlende Gesicht eines kleinen Mädchens, das vor ihm stand und ihn entschuldigend anblickte. Er strahlte zurück und die ganze Schwere fiel sofort von ihm ab. „Es ist nichts passiert, keine Sorge.“ Das Mädchen stand immer noch vor ihm. „Ähm… möchten Sie vielleicht eine gebrannte Mandel? Mögen Sie gebrannte Mandeln?“ Er lächelte. Um seinen Mund zuckte es. Sie zog ihre kleinen Hände aus den Fäustlingen und grub in ihrer Manteltasche. Sie zog eine kleine Papiertüte hervor, die schon reichlich zusammengeknubbelt war. Das kleine Mädchen wickelte sie auseinander und holte ein einzige gebrannte Mandel hervor. „Oh… es ist die letzte. Möchten Sie?“ Er nickte und nahm sie vorsichtig entgegen. „Ach ja…“ flüsterte das Mädchen, bevor es sich zum Gehen wandte. Er beugte sich vorsichtig zu ihr herab. Sie ergriff seinen Jackenkragen und flüsterte: “Herzlichen Glückwunsch!“ Sie schenkte ihm ihr schönstes Lächeln – dann ging sie an ihm vorbei und verschwand in der Menge. Er richtete sich auf, atmete tief ein, wandte sich um und sah ihr nach. Er weinte.
Langsam und aufmerksam um sich blickend ging der durch die Menge. Welch ein Auflauf von Menschen. Wie eifrig sie beschäftigt waren, zu suchen, zu überlegen, zu prüfen, zu kaufen, zu planen. Jedes ihrer Gesichter sprach zu ihm. Sprach lauter als die beduselnde Hintergrundmusik und das Raunen und das fröhliche Geplapper. Ihn selbst beachtete kaum jemand. Seine Augen sahen alles. Sie sahen hinter die Masken und Falten, verbissene und lachenden Lippen, sie sahen in ihre Herzen, in ihre Gedanken. Er sah die Menge, er sah jeden Einzelnen. Tief und liebevoll. Er fuhr mit der Rolltreppe in das erste Stockwerk. Als er in die Abteilung mit den Holzkrippen kam, beobachtete er eine Dame mittleren Alters, die sich leicht über eine besonders schöne Krippe beugte, vorsichtig das Jesus-Kind aus der Krippe nahm und zärtlich lächelte. ‚Ein wunderschönes Gesicht, wahrhaftig. Und diese Ausarbeitung der Feinheiten… Ich muss unbedingt noch in die Kirche, eine Kerze anzünden.‘ – ‚Ich bin doch hier,‘ sagte er stumm.
In der Schmuckabteilung sah er einem jungen, dynamischen Geschäftsmann über die Schulter, der einfach nicht entscheiden konnte, ob es das Armband mit dem Schlangendesign oder das mit den Goldkerben sein sollte. ‚Wenn es nur nicht so schwer wäre, meine Frau zu beschenken… Es muss ja immer alles zu ihren Outfits passen… Und für meine Schwester habe ich auch noch nichts… vielleicht ein Konzertbesuch… und für meinen Vater seinen Lieblingscognac?… Mann ist das schwer… Es soll doch nur jeder glücklich sein und zufrieden und fühlen, dass ich mir auch Gedanken gemacht habe. Die letzten Monate waren so stressig, ich hatte ja gar keine Zeit…‘ – Er atmete tief. Nein, es machte ihm keinen Kummer, dass der junge Geschäftsmann die Weihnachtsgeschenke bester Sorte aussuchen wollte. Aber er seufzte stumm ‚Wenn Du doch nur das ganze Jahr so bedacht wärst um das Glück und die Freude Deiner Lieben. Du wärst nicht so einsam. Sie auch nicht. Und es wäre mir möglich, lauter zu Euch zu reden.‘
Er verließ das Kaufhaus. An der Wand des Blumengeschäftes um die Ecke hockte eine frierende ältere Frau. Vor ihr stand ein Pappbecher mit ein paar Münzen Kleingeld. Die Kälte hatte ihre Sinne bereits leicht betäubt. Während sie auf ihre löchrigen Schuhe starrte, und sich fragte, was sie davon abhielt, aufzustehen, den Bus in die Südstadt zu nehmen und Frieden mit ihrem Sohn zu schließen, der sie sicher gerne aufnehmen und ihr ein warmes Bett anbieten würde, machte es „Klong!“ und ein 50 Cent-Stück flog in den Becher. Das waren 2,35 Euro bis jetzt. Ein kleiner Döner. Und ihr Kopf sank wieder nach unten auf ihre Brust. Er kniete sich vor sie und umschloss sie mit beiden Armen. Sanft. Fest. Sie roch nach Autoabgasen und war kalt und steif. Plötzlich zuckte sie zusammen. Ihr ganzer Leib bebte. „Was?….“ Sie hob leicht den Kopf und schaute suchend um sich – aber da war niemand. Sie fühlte sich merkwürdig. Eine Busfahrkarte kostet 2,35 Euro. Sie stand langsam auf und machte sich zur Haltestelle auf.
Langsam ging er die Fußgängerzone hinauf. Allmählich dämmerte es. Die Menschen trieben an ihm vorbei. Er fühlte sich schwer um’s Herz. So schwer. Er fühlte sich nicht wie einer, der bald Geburtstag hatte. Nicht weil die Menschen dem Kaufrausch verfallen waren. Nicht weil die Musik nicht so perfekt war wie die, die er gewohnt war, und weil all die Weihnachtsbäume, Nikoläuse und Lamettastreifen nichts mit seinem Geburtstag zu tun hatten. Er fühlte sich schwer, weil er sich zu seinem Geburtstag besonders gern verschenken wollte, und es nicht einfach war, die Menschen dazu zu bewegen, dieses Geschenk anzunehmen. Dabei war dies sein sehnlichster Wunsch.
„Oh – jetzt habe ich sie fast umgerannt. Tut mir leid!“ Er blickte überrascht in das strahlende Gesicht eines kleinen Mädchens, das vor ihm stand und ihn entschuldigend anblickte. Er strahlte zurück und die ganze Schwere fiel sofort von ihm ab. „Es ist nichts passiert, keine Sorge.“ Das Mädchen stand immer noch vor ihm. „Ähm… möchten Sie vielleicht eine gebrannte Mandel? Mögen Sie gebrannte Mandeln?“ Er lächelte. Um seinen Mund zuckte es. Sie zog ihre kleinen Hände aus den Fäustlingen und grub in ihrer Manteltasche. Sie zog eine kleine Papiertüte hervor, die schon reichlich zusammengeknubbelt war. Das kleine Mädchen wickelte sie auseinander und holte ein einzige gebrannte Mandel hervor. „Oh… es ist die letzte. Möchten Sie?“ Er nickte und nahm sie vorsichtig entgegen. „Ach ja…“ flüsterte das Mädchen, bevor es sich zum Gehen wandte. Er beugte sich vorsichtig zu ihr herab. Sie ergriff seinen Jackenkragen und flüsterte: “Herzlichen Glückwunsch!“ Sie schenkte ihm ihr schönstes Lächeln – dann ging sie an ihm vorbei und verschwand in der Menge. Er richtete sich auf, atmete tief ein, wandte sich um und sah ihr nach. Er weinte.
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